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Oswald Ottendorfer

 

1894

 

Oo 1894 08 31 Passenger Record
1894.08.31   Ships Manifest

 

1900

1900.12.19 Ottendorfer NYT

 


 

1901

OTTENDORFER, Oswald 1826 - 1900

OSWALD OTTENDORFER, Journalist, öffentlicher Führer und Philanthrop, ist einer jener fortschrittlichen und hochgesinnten Söhne des alten Deutschlands, die im Leben dieser Metropole während einer langen beruflichen Laufbahn nicht nur die Zuneigung großer Massen ihrer hier ansässigen Landsleute, sondern auch den Respekt der hier geborenen Bevölkerung erlangt haben. Er ist gebürtig aus Zwittau in Österreich, einem Dorf an der Grenze zu Böhmen, wo er am 26. Februar 1826 geboren wurde. Sein Vater, Vinzenz Ottendorfer, studierte ein Jahr lang an der Universität Wien und widmete sich während dieser Zeit, da er für eine öffentliche Laufbahn bestimmt war, besonders der Rechtswissenschaft. Nach einem kurzen Aufenthalt in Prag, wo er die tschechische Sprache erlernte und Jura studierte, kehrte er 1848 nach Wien zurück und setzte sich sofort mit der ganzen Energie einer leidenschaftlichen Natur für die Bewegung der patriotischen Jugend Österreichs ein, um die Freiheiten des Volkes durch Agitation und notfalls mit Gewalt zu sichern. Ein Aufstand im März 1848, an dem Herr Ottendorfer maßgeblich beteiligt war, führte zum Sturz der Regierung Metternich. Auf diese Weise in die öffentliche Laufbahn eingeführt und im Kampf gegen die despotische Macht getauft, wurde er bald Freiwilliger im Von der Tann-Korps und nahm am Schleswig-Holsteinischen Krieg gegen die dänische Armee teil. Am 5. Oktober 1848 erhoben sich die Wiener Studenten gegen die in der Stadt befindlichen Abteilungen der österreichischen Armee, die durch den Abzug mehrerer Regimenter nach Pesth zum Kampf gegen Kossuth geschwächt war. Bei dieser Gelegenheit diente Herr Ottendorfer als Oberleutnant in dem Bataillon des verstorbenen Robert Blum. Die Studenten vertrieben die Truppen, um einige Wochen später selbst von den österreichischen Truppen überwältigt zu werden, die nach einer schweren Schlacht die Stadt zurückeroberten. Unter den wenigen Studenten, die sich aus der österreichischen Hauptstadt in Sicherheit bringen konnten, war auch Herr Ottendorfer. Nach drei Tagen und Nächten, in denen er sich im Schornstein eines alten Buchladens versteckt hatte, machte sich der junge Mann auf den Weg nach Sachsen, um dann mit anderen unter falschem Namen in die böhmische Hauptstadt zurückzukehren und einen weiteren Aufstand zu organisieren. Die Bewegung wurde jedoch entdeckt, und die Studenten flohen nach Dresden, wo sie im Mai 1849 an einer weiteren Revolution teilnahmen und die Stadt fast eine Woche lang in Besitz nahmen. Dies war eine ernste Angelegenheit und endete mit der Rückeroberung der Stadt durch preußische Truppen, die vom sächsischen König eilig herbeigerufen wurden. Die Studenten versuchten, nach Thüringen zu fliehen, aber diejenigen, die die Stadt verließen, wurden alle gefangen genommen. Wie ihre Landsleute in Wien wurden viele von ihnen zum Tode und andere zu langen Haftstrafen verurteilt. Herr Ottendorfer entkam durch einen Unfall. Er hatte mehrere Tage und Nächte ohne Ruhe verbracht und wachte wegen körperlicher Erschöpfung erst am Mittag auf, als er Dresden voller preußischer Soldaten vorfand. Nach einigen Tagen des Versteckens gelang es ihm, unbemerkt nach Frankfurt zu gelangen. Doch die Aufregung ging weiter, und Ottendorfer hätte an der Schlacht von Waghäusel teilgenommen, wenn er nicht in Heidelberg an Typhus erkrankt wäre. Seine letzte Heldentat, die er nach dreimonatigem Versteckspiel vollbrachte, war die Befreiung des zu lebenslanger Haft verurteilten Steck, der im Schloss Bruchsal eingekerkert war. Mit seinen Kameraden und Steck entkam er sicher in die Schweiz.

Mit vierundzwanzig Jahren hatte Herr Ottendorfer tragische Abenteuer erlebt, wie sie nur wenigen Männern seines Alters widerfahren. Seine Hoffnungen hatten sich zerschlagen, und er beschloss, in Wien ein neues Leben zu beginnen. Freunde rieten ihm davon ab und sagten ihm den sicheren Tod voraus, sollte er an den Schauplatz seines revolutionären Wirkens zurückkehren. In dieser Notlage beschloss er schließlich, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Mit der Hilfe von Freunden reiste er durch Polen und landete 1850 in New York City. Er verfügte nur über geringe Mittel, fand aber in der Stadt ein großes, freiheitsliebendes deutsches Volk vor, das den jungen Agitator mit großer Herzlichkeit aufnahm. Ottendorfer sicherte sich umgehend eine Anstellung in der Geschäftsstelle der New Yorker Staats-Zeitung und fand nun ein Feld für die Ausübung seiner unbestrittenen Fähigkeiten, die Erfolg versprachen; und er bemühte sich, die Bemühungen des Inhabers Jacob Uhl bei der Leitung der Zeitung zu unterstützen. Die am 24. Dezember 1834 als Wochenzeitung in der Nassau Street gegründete und in deutscher Sprache gedruckte Staats-Zeitung war 1844 von Herrn Uhl gekauft worden, der sie mit Hilfe seiner Frau, einer Frau von überragendem Geist, zu einer Tageszeitung machte und ihr bereits die Position der führenden deutschen Zeitschrift der Stadt verschaffte. Herr Uhl starb 1851 und Frau Uhl übernahm die Leitung. Sie war nicht nur eine Frau von ungewöhnlicher Liebenswürdigkeit und Schönheit des Charakters, sondern auch intellektuell, energisch und klug. Sie sah für die Staats-Zeitung eine große Zukunft voraus, lehnte verschiedene Verkaufsangebote ab und führte die Zeitung mit Unterstützung von Herrn Ottendorfer acht Jahre lang mit stetig wachsendem Erfolg. Im Jahre 1859 heiratete Herr Ottendorfer glücklich Frau Uhl und wurde fortan der führende Kopf in der Geschäftsführung, obwohl er viele Jahre lang die Mitarbeit seiner kompetenten und angesehenen Frau genoss. Eine schwache Gesundheit zwang Frau Ottendorfer schließlich 1881, ihren Anteil an der Geschäftsführung aufzugeben. Sie starb am 1. April 1884, machte viele öffentliche Geschenke und hinterließ 30.000 Dollar, die unter den Mitarbeitern der Staats Zeitung verteilt werden sollten.

Während der fast ein halbes Jahrhundert währenden Verbindung mit der Staats-Zeitung hat Herr Ottendorfer wesentlich dazu beigetragen, seine Zeitung zu einem erfolgreichen Unternehmen zu machen, einen starken Einfluss auf eine reine Regierung auszuüben und das deutsche Element in der Bevölkerung der Stadt gegen eine ineffiziente und demoralisierende lokale Herrschaft anzuführen. Als Demokrat mit politischer Überzeugung, wenn auch jetzt unabhängig in lokalen Angelegenheiten, war er ein Unterstützer von Samuel J. Tilden und Grover Cleveland und ein Befürworter einer gesunden Währung, einer Reform des öffentlichen Dienstes, eines moderaten Tarifs und der Verbesserung der öffentlichen Schulen. Als Mitglied des Committee of Seventy beteiligte er sich an den erfolgreichen Bemühungen zur Zerschlagung des Tweed-Rings. Ein Jahr lang war er Stadtrat, lehnte aber das Gehalt von 4.000 Dollar pro Jahr ab, da er es für unverhältnismäßig zu den erwarteten Leistungen hielt, und lehnte auch mehr als einmal die Nominierung zum Bürgermeister ab. Das große steinerne Bürogebäude an der Ecke Park Row und Centre Street, in dem die Staats-Zeitung untergebracht war, beherbergte einst auch die Steuerabteilung der Stadtverwaltung. Die Feindseligkeit von Tammany, die Herr Ottendorfer infolge seiner Angriffe auf die korrupte Stadtverwaltung zu spüren bekam, veranlasste diese Organisation schließlich, die Abteilung an einen anderen Ort zu verlegen. Dieser törichte Versuch, einen öffentlichkeitsbewussten und mutigen Mann zu verletzen, wurde von der Öffentlichkeit mit dem verdienten Spott bedacht und erwies sich als absolut unwirksam für die Bestrafung.

Oswald Ottendorfer wurde im Februar 1826 in Zwittau, einem mährischen Dorf an der böhmischen Grenze, geboren. Sein Vater war ein wohlhabender Fabrikant und verschaffte Oswald eine ausgezeichnete Ausbildung. Nach dem Besuch des Gymnasiums auf die übliche deutsche Art und Weise besuchte er ein Jahr lang die Universität Wien und spezialisierte sich auf das Fach der Rechtswissenschaft. Die Universität Prag nahm ihn anschließend auf und vermittelte ihm Kenntnisse der tschechischen Sprache und des Rechts. Als er 1848 nach Wien zurückkehrte, beteiligte er sich maßgeblich an der Bewegung der österreichischen Jugend, die einen Volksaufstand für ihre Freiheitsrechte anstrebte. Bei Ausbruch des schleswig-holsteinischen Krieges suchte er nach militärischen Erfahrungen und meldete sich freiwillig zum Einsatz gegen die dänische Armee. Nach einem kurzen Feldzug kehrte er nach Wien zurück, wo sich die Ereignisse rasch überschlugen. Er wurde wieder einer der führenden Köpfe der Revolutionäre und leistete bei den Studentenaufständen im Oktober 1848 wertvolle Dienste für die patriotische Sache. Nach anfänglichen Erfolgen erlitten die Studenten schließlich schwere Rückschläge und viele von ihnen wurden erschossen oder inhaftiert. Nachdem er sich drei Tage lang in einem Schornstein versteckt hatte, floh der junge Ottendorfer nach Sachsen, um den Kampf in Prag und anderswo fortzusetzen, sobald sich die Gelegenheit bot. Nach der Rettung von Steek, der im Schloss Brachsal gefangen gehalten wurde, floh er in die Schweiz. Er wollte nach Verbüßung der kurzen Haftstrafe, die er für seine Bestrafung hielt, in Wien ein neues Leben beginnen, wurde aber von Freunden von diesem Vorhaben abgebracht, die ihm den sicheren Tod prophezeiten, wenn er sich den Behörden stellen würde. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass es sicherer sei, den Kontinent zu verlassen. Mit Hilfe von Freunden schlug er sich durch Polen durch und schiffte sich nach New York ein.

Als er 1850 dort ankam, musste er feststellen, dass seine völlige Unkenntnis der englischen Sprache ein ernsthaftes Handicap darstellte - ein Nachteil, der durch seine Vertrautheit mit Französisch, Latein, Griechisch, Hebräisch und mehreren slawischen Sprachen nur wenig gemildert wurde. Nachdem er sich eine Zeit lang mit dem Nötigsten durchgeschlagen hatte, erhielt er eine Stelle im Zählraum der New Yorker Staats-Zeitung, die damals Jacob Uhl gehörte. Nach dem Tod dieses Herrn ging die Leitung der Zeitung auf seine talentierte und kluge Witwe über. Mit Hilfe von Herrn Ottendorfer, der eine bemerkenswerte Begabung für den Journalismus entwickelt hatte, leitete sie die Zeitung mit bemerkenswertem Erfolg bis 1859, als sie und ihr fähiger Mitarbeiter glücklich verheiratet waren. Seitdem hat Herr Ottendorfer die Geschicke der großen deutschen Tageszeitung maßgeblich mitbestimmt. Seine charmante und außerordentlich kompetente Gattin unterstützte ihn bis kurz vor ihrem Tod im April 1884. Sie machte viele öffentliche Vermächtnisse und hinterließ außerdem 30.000 Dollar, die unter den Mitarbeitern der Staats Zeitung verteilt werden sollten.

Herr Ottendorfer wird seit langem als einer der einflussreichsten Männer der Metropole angesehen. Er hat sich in der Politik hervorgetan und sich für eine solide Währung, eine Reform des öffentlichen Dienstes und eine Liberalisierung der Tarife eingesetzt. Er diente ein Jahr lang als Stadtrat von New York und lehnte es häufig ab, für wichtigere Ämter zu kandidieren. Zur Zeit der Tweed-Enthüllung war er Mitglied des berühmten "Committee of Seventy". Wie Mrs. Ottendorfer zeichnete er sich durch zahlreiche liberale Wohltaten aus. Er gehörte dem Manhattan-, City-, Century-, Reform- und anderen Clubs an.

 

PERSÖNLICHE CHRONOLOGIE

Oswald Ottendorfer wurde am 26. Februar 1826 in Zwittau, Mähren, geboren, besuchte österreichische Schulen und Universitäten, kam 1850 in die Vereinigten Staaten und trat bald darauf in den Dienst der "Staats Zeitung" in New Y

 


 

 

Die New York Times veröffentlicht am 25. Januar 1901

Oswald Ottendorfers öffentliche Nachlässe

Testament des Eigentümers der Staats-Zeitung zur Vererbung angeboten

Über 200.000 Dollar für Wohltätigkeits- und Bildungseinrichtungen - 50.000 Dollar für Mitarbeiter seiner Zeitung

Das Testament von Oswald Ottendorfer, Herausgeber und Eigentümer der New Yorker Staats-Zeitung, wurde gestern im Büro des Gerichtsvollziehers zur Testamentseröffnung angeboten. Der Erblasser hinterlässt über 200.000 Dollar für karitative und Bildungseinrichtungen. Außerdem bedenkt er die Mitarbeiter der Staats-Zeitung mit 50.000 Dollar, die unter ihnen aufgeteilt werden sollen.

Herr Ottendorfer starb am 15. Dezember letzten Jahres, und die Verzögerung bei der Testamentseröffnung gab Anlass zu einigen Gerüchten, dass es einen Streit um seinen Nachlass geben würde.

Er hinterließ keine direkten Erben, die in der Lage wären, eine Anfechtung vorzunehmen, und er hat großzügig für seine Stiefkinder gesorgt.

Diejenigen, die es wissen, erklären, dass der große Nachlass gütlich aufgeteilt werden wird.

Das Testament mit seinen drei Kodizillen bildete ein äußerst umfangreiches Dokument, als es dem Surrogat vorgelegt wurde. In dem dem Testament beigefügten Antrag heißt es, der Nachlass sei "über 10.000 Dollar" wert. Diejenigen, die es wissen, schätzen den Wert des von Herrn Ottendorfer hinterlassenen realen und persönlichen Besitzes auf über $2'000'000.

Das Testament ist auf den 22. Mai 1891 datiert. Die drei Kodizille wurden 1892, 1897 und 1900 errichtet. Lewis Cass Ledyard, der das Testament verfasst hat und einer der Testamentsvollstrecker ist, hat gestern Abend eine Zusammenfassung aller Vermächtnisse von Herrn Ottendorfer erstellt.

Die New York Free Circulating Library erhält 20.000 Dollar, das United Relief Work der Society for Ethical Culture 10.000 Dollar, die Charity Organisation Society 20.000 Dollar, die Cooper Union und das German Hospital and Dispensary erhalten jeweils 20.000 Dollar. Die Isabella Heimath, die von der Ehefrau des Erblassers gegründet wurde, erhält 100.000 Dollar. Die Deutsche Damengesellschaft zur Unterstützung mittelloser Witwen und Waisen erhält 10.000 Dollar, und das Amerikanische Museum für Naturgeschichte bekommt 25.000 Dollar.

Die Bestimmungen für die Angestellten der Staats-Zeitung lauten wie folgt:

Ich vermache und vererbe meinen Testamentsvollstreckern die Summe von 30.000 Dollar treuhänderisch zur Aufteilung, Verteilung und Auszahlung an diejenigen Mitarbeiter der als New Yorker Staats-Zeitung bekannten Körperschaft der Stadt New York, die in die folgende Kategorie fallen und die folgenden Bedingungen erfüllen: d.h.: Diejenigen, die zum Zeitpunkt meines Todes ununterbrochen mindestens ein Jahr lang ihre gesamte Zeit, ihre Arbeit und ihre Dienste der New Yorker Staats-Zeitung gewidmet haben, unter Ausschluss aller anderen beruflichen, geschäftlichen und beruflichen Tätigkeiten, und die zum Zeitpunkt meines Todes und dann mindestens ein Jahr lang für diese Dienste bestimmte Gehälter oder Löhne erhalten haben, die von den Treuhändern der genannten Körperschaft freiwillig festgelegt und angepasst wurden: jedoch mit der Maßgabe, dass keine Person als unter die genannte Kategorie fallend betrachtet wird oder Anspruch auf irgendeinen Anteil an diesem Vermächtnis hat, es sei denn, die Treuhänder der genannten New Yorker Niederlassung bescheinigen dies schriftlich gegenüber meinen Testamentsvollstreckern. Die genannte Summe wird unter den Anspruchsberechtigten im Verhältnis zu den Gesamtgehältern oder Löhnen aufgeteilt, die sie in dem Jahr vor meinem Tod erhalten haben.

Zu den persönlichen Vermächtnissen von Herrn Ottendorfer gehören 20.000 Dollar an Frau Eleonora Stabler, die einige Jahre lang seine Haushälterin war. Sein Diener, Patrick Gaffigan, erhält 5.000 Dollar.

Den Rest seines Nachlasses teilt Herr Ottendorfer unter den Kindern seiner Frau und deren Kindern auf. Zunächst sieht er vor, dass seine Stiefkinder Edward Uhl, Emma Schalk, Mathida Riedl von Riedenstein und Anna Woerishoffer alle Haushaltsmöbel, Silberwaren und Bilder erhalten.

Seinen Stiefenkelinnen Annibel, Baronin von Leitenberger und Antoinette Gräfin Seilern hinterlässt Herr Ottendorfer jeweils 30.000 $ und seiner Stiefenkelin Emma Carola Woerishoffer 80.000 $. Der gesamte Rest des Nachlasses, sowohl der Grundbesitz als auch der persönliche Besitz, soll unter den drei Stieftöchtern des Erblassers aufgeteilt werden.

Das letzte Kodizill des Testaments widerruft ein Vermächtnis von 30.000 Dollar an die Geburtsstadt des Erblassers, Zwittau, Österreich, sowie eine große Anzahl von Vermächtnissen an Verwandte in Österreich. Zur Begründung sagt der Erblasser: "Ich habe bereits seit der Errichtung meines besagten Testaments für die verschiedenen Vermächtnisnehmer, denen ich dasselbe zukommen ließ, solche Vorkehrungen getroffen, die ich für richtig halte.

Um einer möglichen Anfechtung seines Testaments vorzugreifen, fügt Herr Ottendorfer folgende Klausel hinzu:

Da ich diejenige Verfügung über mein Vermögen getroffen habe, die meines Erachtens nach reiflicher Überlegung die weiseste und beste ist, ordne ich ferner an, und es ist mein Wille, dass für den Fall, dass irgendeine Person, der durch dieses Testament ein Vermächtnis zugewendet wird oder zu deren Gunsten durch dieses Testament irgendeine Bestimmung getroffen wird, oder irgendeine Person, die, wenn ich als unsterblich gestorben wäre , einen Anspruch auf einen Anteil an meinem Eigentum oder Nachlass hätte, unter irgendeinem Vorwand oder aus irgendeinem Grund eine Klage oder ein Verfahren anstrengt, sich daran beteiligt oder daran teilnimmt, um sich der Testamentsvollstreckung zu widersetzen oder eine der Bestimmungen dieses Testaments anzufechten oder zu beeinträchtigen oder aufzuheben oder für ungültig zu erklären, wird jede Zuwendung oder jedes Vermächtnis an diese Person und jede testamentarische Bestimmung zu Gunsten dieser Person wird hiermit widerrufen, und diese Person soll von jeglicher Beteiligung an meinem Eigentum oder Nachlass ausgeschlossen werden und soll keinen Anteil an meinem Eigentum oder Nachlass haben, und ich gebe und vermache meinen Stiefkindern Edward rule, Emma Schalk , Mathilda Riedl von Riedenstein und Anna Woerishoffer alle Vermächtnisse und Vergünstigungen, die diesen Personen durch irgendeine Bestimmung dieses Testaments gewährt werden, und ich vermache, verschenke und vererbe den genannten Edward Uhl, Emma Schalk, Mathilda Riedl von Riedenstein und Anna Woerishoffer jeden Anteil an meinem Nachlass, auf den diese Personen Anspruch gehabt hätten, wenn ich von Todes wegen gestorben wäre.

Die Geschäftsführer, die nicht verpflichtet sind, Bürgschaften zu leisten, sind Anna Woerishoffer, Julius W. Brunn und Lewis Cass Ledyard.

Gestern Abend wurde bekannt gegeben, dass das Testament in keiner Weise die gegenwärtige Politik der Staats Zeitung ändern wird und dass die Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter dieser Zeitung wie bisher fortgesetzt wird. Mit der Zuwendung von 50.000 Dollar an die Angestellten habe der Erblasser in Wirklichkeit dem Wunsch seiner Frau entsprochen. Frau Ottendorfer war die Witwe von Jacob Uhl, dem die Staats Zeitung gehörte, bevor Herr Ottendorfer in die Vereinigten Staaten kam. Nach dem Tod von Herrn Uhl heiratete Herr Ottendorfer die Witwe, und als sie vor etwa 12 Jahren starb, forderte sie ihn auf, testamentarisch mindestens 25.000 Dollar unter den Angestellten zu verteilen.

Herman Ridder, der Verleger der Staats Zeitung, kündigte gestern Abend an, dass er keinen Anteil an diesem Vermächtnis annehmen werde, sondern es lieber unter den anderen mit der Zeitung verbundenen Personen aufteilen wolle.

Herr Ottendorfer hat testamentarisch praktisch alle Anteile an der Staats Zeitung an die direkten Erben von Jacob Uhl , seinem ersten Arbeitgeber im Zeitungswesen, zurückübertragen. Edward Uhl , der Stiefsohn von Herrn Ottendorfer, ist bereits an der Zeitung beteiligt und hat daher testamentarisch nur sehr wenig erhalten.

Keiner der an der Testamentseröffnung Beteiligten wollte sich gestern Abend zum Wert des Nachlasses oder zu den Bestimmungen des Testaments äußern. Herr Ledyard erklärte die Verzögerung der Testamentseröffnung damit, dass mehrere der Erben im Ausland lebten und mit ihnen Kontakt aufgenommen werden musste, bevor das Testament hinterlegt werden konnte.

 


 

1902

The New York Times Veröffentlicht am 16. November 1902 (?)

OTTENDORFER URTEIL BEKRÄFTIGT

SPEZIALAUSGABE DER NEW YORK TIMES

WASHINGTON, 16. November - Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten von Amerika vom heutigen Tag bleibt die Veranlagung in Höhe von 543.708 Dollar, die die Bundesregierung aufgrund des Gesetzes über die Einnahmen aus dem Spanischen Krieg gegen den Nachlass von Oswald Ottendorfer aus New York City vorgenommen hat, in der Form bestehen, in der sie durch das Büro des Commissioner of Internal Revenue erhoben wurde. Die Wiedereinziehung der gesamten Veranlagung wurde mit der Begründung beantragt, dass die Steuer nicht vor dem 1. Juli 1902 erhoben worden sei.

 


 

 

1926

 

ZWITTAUER NACHRICHTEN, 13. FEBRUAR 1926

OSWALD OTTENDORFERS 100. GEBURTSTAG.

Gedenkrede des Bürgermeisters Carl Lick, gehalten bei der Feier in der Ottendorfer’schen Volksbibliothek am 11. Feber 1926.

Wir haben uns heute hier versammelt, um in Verehrung und Dankbarkeit das Andenken des Stifters dieses schönen, der Volksbildung und Aufklärung gewidmeten Hauses, das Andenken Oswald Ottendorfers zu feiern. Am morgigen Tage jährt sich zum hundertsten Male der Tag, an dem Oswald Ottendorfer geboren wurde. 100 Jahre sind im Laufe des Weltgeschehens ein kleiner, im Leben des Menschen aber ein unendlich langer Zeitabschnitt. Wer kennt heute die Namen jener, die vor 100 Jahren in unserer Stadt das Licht der Welt erblickten? Sie sind ausgelöscht aus dem Buche des lebens – versunken und vergesen – der Name Oswald Ottendorfer aber lebt und wird weiter leben. In ihm bewahrheitet sich das Wort Schillers:

Von des Lebens Gütern allen
Ist der Ruhm das höchste doch;
Wenn der Leib in Staub zerfallen,
Lebt der große Name noch

Wir Zwittauer kennen und verehren den Namen Ottendorfer als den Namen des größten Wohltäters unserer Vaterstadt. Wir nennen ihn auch den größten Sohn unserer Stadt, mit welcher Berechtigung wir ihn so nennen, das wird uns erst völlig klar werden, wenn wir näheres über sein Leben und Wirken erfahren, denn im Grunde genommen wussten wir bisher hierüber recht wenig. Daher können wir die heutige Feier nicht besser, nicht würdiger und ganz im Sinne des großen Toten, der fern von Eitelkeit und Ehrfurcht immer nur erziehend und beispielgebend wirken wollte, begehen, als indem wir den Spuren seines Lebens nachgehen und Sorge tragen, daß die Kenntnis von seinem Tun und Wirken auch bei unseren Nachfahren lebendig erhalten wird.

Zunächst eine kurze Beschreibung seines Lebenslaufes. Vor 100 Jahren sah es auch in unserer guten Stadt Zwittau ganz anders aus wie heute. Wo heute der Prachtbau der Lesehalle sich erhebt, stand angelehnt an die alte Stadtmauer und knapp neben dem südlichen Stadttore, dem sogenannten Brünner-Tor, ein schlichtes ebenerdiges Wohnhaus. Wo das schönste Denkmal der Mutterliebe steht, befand sich als Teil des Wallgrabens, der in alter Zeit die ganze Stadt umschloß, ein Teich. In dem Hause wohnte der ehrsame Tuchmachermeister Vinzenz Ottendorfer mit seiner Frau Katharina, Tochter des Martin Neumeister, eines der angesehensten Tuchmacher der damaligen Zeit. Diesem Ehepaar wurde am 12. Feber 1826 ein Söhnlein geboren, das in der taufe den Namen Oswald Valentin empfing. Bei der Taufe versahen die Patenstellen der Schwarzfärbermeister Josef Schuster mit seiner Gattin Rosa, welch letztere eine Schwester der Frau Ottendorfer war. Ich kann ihnen auch noch die Großeltern des Neugeborenen nennen, es waren dies Johann Ottendorfer, gleichfals Tuchmacher und dessen Frau Magdalene, geb. Jaich. Wie sie sehen, war es gutes Zwittauer Blut, das in den Adern Oswald Ottendorfers rollte.

Das Leben vollzog sich damals in den einfachsten, bescheidensten Formen. Arbeiten und Sparen war die Lebensregel. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend wurde gearbeitet, alle erwachsenen Familienmitglieder halfen mit. Es war damals üblich, daß die Söhne dem Handwerke des Vaters sich widmeten und wo die Mittel es halbwegs erlaubten, ein Sohn „studierte“. Da bereits zwei ältere Brüder im Geschäfte tätig waren, war es Oswald, der studieren sollte und zu diesem Berufe zunächst das altberühmte Piaristen-Gymnasium in Leitomischl besuchte. Die studierten Herren standen damals in höchsten Ansehen und es wäre, wie in so vielen anderen Bürgerfamilien, gewiß der Stolz und die Freude der Eltern gewesen, den jüngsten Sohn dereinst als wohlbestallten Pfarrherrn oder als Professor begrüßen zu können. Das Schicksal aber hatte es anders beschossen.

In den Jahren 1846-1848 bezog Ottendorfer nach vollendeten Gymnasialstudien die hohen Schulen zu Prag und Wien. Und hier eröffnete sich dem jungen Feuergeiste eine neue Welt. Das Jahr 1848 warf seine Schatten voraus und besonders in den Kreisen der akademischen Jugend gährte es ganz gewaltig. Nichts geringeres als die Beseitigung des absolutistischen Systems und Errichtung der großen deutschen Republik war das Endziel der freiheitlichen Bewegung, die im Oktober 1848 zum Aufstande in Wien führte. Ottendorfer gehörte der akademischen Legion an, die am 28. Oktober die Rasumovskybrücke verteidigte. Die Studenten mußten schließlich der Uebermacht der vom Prater vordringenden Kroaten weichen und von den Barrikaden flüchtete Ottendorfer in einen kleinen Laden, dessen ihzm völlig unbekannter Besitzer ihn in einem Kamin verbarg. Die nachstürmenden Kroaten fanden ihn nicht und so blieb Ottendorfer das Schicksal Robert Blums erspart, der standrechtlich erschossen wurde.

Für Ottendorfer kamen schwere Tage. Er floh zunächst nach Deutschland, wo er sich an den Aufständen in Sachsen und Baden beteiligte und das Ende war, daß er, um sich in Sicherheit zu bringen, seine Heimat verlassen und in der Ferne eine neue Lebensstellung suchen musste. So kam Ottendorfer im Jahre 1850 nach Amerika, wo er zunächst mit harten Entbehrungen zu kämpfen hatte. Anfänglich betätigte er sich als Fabriksarbeiter, später als Champagneragent, bis ihn schließlich ein günstiges Geschick zur „Newyorker Staatszeitung“ führte. Hier eröffnete sich ihm eine Laufbahn, wie er sie in seinen kühnsten Träumen sich nicht vorgestellt hatte. Die Staatszeitung war Eigentum des Buchdruckers Jacob Uhl. Ottendorfer kam im Jahre 1852 zur Staatszeitung, kurze Zeit darauf starb Uhl und seine Witwe Anna Uhl, eine hervorragende Frau, führte das Blatt weiter. Bei der Staatszeitung fand Ottendorfer einen Wirkungskreis, der seiner Bildung entsprach. Um bei einer amerikanischen Zeitung sich mit Erfolg betätigen zu können, musste Ottendorfer, dessen politische Auffassung sich ganz im Kreise jener Ideen bewegte, die er in Europa aufgenommen hatte, umlernen. Er musste den amerikanischen Geist in sich aufnehmen. Mit welchem Erfolge sich Ottendorfer dieser schweren Aufgabe unterzog, geht daraus hervor, daß er schon im Jahre 1857 die Redaktion des Blattes übernahm. Im Jahre 1859 heiratete er Frau Anna Uhl und wurde so Miteigentümer des Blattes.

Unter Ottendorfers Leitung entwickelte sich die Staatszeitung allmählich zum führenden deutschen Blatte Amerikas. „Er hat aus einer kleinen Zeitung ein großes, mächtiges und einflussreiches Organ geschaffen“ sagte an seinem Sarge der Präsident des deutschen Pressklubs in New York Georg von Skal, selbst führendes Mitglied des Mitarbeitersabes der New Yorker Staatszeitung, also ein Mann, der die Verhältnisse genau kannte und überdies ein aufrechter deutscher Journalist, der noch im Kriege den Mut aufbrachte, für die Wahrheit einzutreten. Mit der wachsenden Bedeutung des Blattes wuchs auch die Bedeutung Ottendorfers im öffentlichen Leben. Ebenso flossen ihm reiche Mittel zu, die er zunächst zur Ausgestaltung des Blattes verwendete, die ihn aber auch in dem Maße, als sein Wohlstand wuchs, in den Stand setzten, sich als Menschenfreund größten Stiles zu betätigen. In Frau Anna Uhl hatte Ottendorfer eine Gattin gefunden, die ihm in jeder Beziehung ebenbürtig war. Eine begeisterte Vorkämpferin des Deutschtums in Amerika, entwickelte auch sie einen Wohltätigkeitssinn, der sie zu einer der gefeiertsten Frauen der Vereinigten Staaten machte. Anläßlich ihres am 1. April 1884 erfolgten Todes brachte die „Gartenlaube“ über die Verstorbene einen Aufsatz indem es heißt, daß „2 Tage nach ihrem Tode jeder Deutsch Amerikaner von der Küste des atlantischen bis hinüber zu den Gestaden des stillen Ozeans es wusste, daß die große Landsmännin, die beliebteste Frau der Vereinigten Staaten gestorben war“.

Habe ich ihnen in gedrängtester Kürze den Lebensweg Ottendorfers geschildert, so will ich es nunmehr versuchen, durch ein Eingehen auf die hervorstechendsten Charakterzüge Ihnen, verehrte Anwesende, Ottendorfer als Mensch näherzubringen.

Ottendorfer war vor allem ein deutscher Mann, der unentwegt festhielt an den Idealen der Jugend, für die er in die Verbannung ging. „Ich ersehe darin nur den besten Inhalt des deutschen Volkstums, daß wir treu zu unserem Volke stehen. Das können wir tun, gleichviel ob wir Bürger von Österreich, Deutschland oder Amerika sind“. Das sagte Ottendorfer im Jahre 1886 bei dem ihm zu Ehren veranstalteten Kommers im Schützenhofe in einem Trinkspruche, in dem er, der alte 1848er, die Ideale der Jugend feierte und wie er diese Ideale in die Tat umsetzte, wie er in Amerika als aufrechter Deutscher mit der vollen Wucht seiner Persönlichkeit eintrat für das Deutschtum, das entnehmen wir der Gedenkrede, die der Präsident des deutschen Pressklubs bei der großen Leichenfeier in New York am 18. Dezember 1900 am Sarge Ottendorfers sprach.

Er sagt unter anderem:

„Was die Deutsch Amerikaner an Oswald Ottendorfer verloren haben , daß lässt sich nicht in wenigen Worten sagen. Seine Unantastbarkeit, seine Uneigennützigkeit und vor allem das unerschütterliche Pflichtgefühl, das kein Abweichen von dem Wege erlaubte, den er als den richtigen erkannt hatte, brachte ihm die Achtung aller Amerikaner in einem Maße, wie sie kein anderer Deutscher besessen hat. Er duldete niemals Nichtachtung des deutschen Wesens, so wenig wie er seine engeren Mitbürger in Bestrebungen unterstützte, die auf Absonderung hinzielten. Aber er war mit seinem ganzen Herzen Deutscher und fest überzeugt, daß deutsche Gemütlichkeit, deutsche Ruhe und deutsches Gemüt bestimmt seien, einen unberechenbar wohltätigen Einfluß auf den amerikanischen Volkscharakter auszuüben. Und ebenso fest glaubte er, daß nur durch die Pflege der deutschen Sprache, jene Eigenschaften lange genug erhalten und genügend vertieft werden könnten, um bei der Neubildung des Volkes nicht verloren zu gehen. Deswegen war er stets kampfbereit, wenn er einen Weg sah, die Pflege der deutschen Sprache zu fördern, in der Kunst, in den Schulen und in den Vereinen. Die Früchte seines Wirkens dieser Richtung liegen nicht an der Oberfläche, sind aber allenthalben vorhanden und seine stille Hand wird überall und an allen Orten fehlen, wo deutsches Streben tätig ist“.

Ottendorfer war ein Mann, der die Arbeit über alles schätzte. „Was ich bin und was ich habe, ist das Ergebnis harter Arbeit und schwerer Kämpfe. Möge die Jugend Zwittaus daraus den Schluß ableiten, daß ehrliche und ausdauernde Arbeit der beste und sicherste Weg ist, Erfolge im menschlichen Leben zu erzielen“. So schrieb Ottendorfer in einem vom 27. Mai 1885 datierten Brief und gelegentlich seiner Anwesenheit in Zwittau, im Jahre 1886 sagte er bei dem ihm zu Ehren veranstalteten Festbankett in einem Trinkspruche auf die gewerbefleißige Stadt Zwittau folgendes: „Die Worte der Bibel, im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen gereichen der Menschheit nicht zum Fluche, sondern zum Segen. Denn die mühsam errungenen Früchte harter Arbeit weiß man zu würdigen und arbeitsame, tüchtige, genügsame Bürger sind die besten Grundlagen des Staates, der Gemeinde“. Das sind goldene Worte, die gerade in der heutigen Zeit besonders am Platze sind und die es verdienen, dauernd festgehalten zu werden.

In seiner lebensstellung war Ottendorfer Journalist, also ein Mann der Presse. Die Presse nennt sich selbst gerne eine Großmacht. Welchen Einfluß die Presse auszuüben, wie sie einzugreifen vermag in die Schicksale der Völker und Staaten, das haben wir mit Schaudern erlebt, im Kriege und auch noch in der Nachkriegszeit. Ottendorfer hatte von der Aufgabe der Presse eine ungemein hohe Auffassung. Im Jahre 1892 hielt er anlässlich eines Kongresses der deutsch-amerikanischen Journalisten eine groß angelegte Rede über die Mission der Presse die er mit den Worten schloß: „Vergessen sie niemals, daß sie Priester im Tempel der Humanität sind und daß es ihre Pflicht ist, die Form für alles Gute und Edle, Schöne und Wahre, lebendig zu erhalten“. Und der bereits erwähnte Präsident des deutschen Pressklubs sagte am Sarge Ottendorfers über dessen Auffassung von der Presse folgendes:

„Sein ganzes Wesen war erfüllt von der ungeheueren Verantwortlichkeit, die auf der öffentlichen Presse lastet. Die Wahrheit und die Reinheit, die Pflichttreue und die Liebe zum Vaterlande, die Freiheit und die Menschenliebe, das waren die Ideale, die in seiner Brust wohnten und ihm unverrückt vor Augen standen. Davon wich er keinen Fingerbreit ab, weder als Mensch, noch als Journalist, dafür brachte er jedes Opfer. Niemals hat ihn die Zweckmäßigkeit oder die Rücksicht auf augenblicklichen Vorteil veranlassen können, von diesem Pfade abzuweichen. Jedem dahin zielenden Ansinnen stand er wie ein Fels gegenüber. In diesem Zeitalter der Selbstsucht und der Gewinngier war er eine Leuchte des edlen Idealismus, die überallhin erwärmend und ermutigend wirkte. Sein Beispiel und sein Einfluß werden nicht nur innerhalb der engen Grenze des Journalismus, sondern weit darüber hinaus noch lange segensreich wirken“.

Wie sähe die Welt aus, wenn nicht nur die Journalisten jenseits sondern auch diesseits des Ozeans sich vor, während und nach dem Kriege an diese Leitsätze gehalten hätten.

Untrennbar verbunden mit dem Begriffe des Journalisten ist der Begriff des Politikers. Die politischen Kämpfe in den Vereinigten Staaten waren und sind nichts anderes als ein Ringen der politischen Parteien, in der Hauptsache der Demokraten und Republikaner, um die Macht und um diese zu erreichen, nahmen es beide Parteien mit ihren Grundsätzen durchaus nicht zu genau. Ottendorfer war ein überzeugter Demokrat, der energisch und konsequent die Grundsätze der wahren Demokratie immer und überall, wenn es nötig war, auch Widerständen im eigenen Lager gegenüber, mit allem Nachdruck vertrat. In der deutschdemokratischen Organisation, die zu dem Zwecke geschaffen wurde, ein ständiges Eingreifen des deutschen Elementes im politischen Leben der Vereinigten Staaten und besonders bei den Wahlen zu ermöglichen, erlangte er eine führende Stellung. Das zeogt sich am besten bei der Wahl des Präsidenten Cleveland, der wesentlich durch Ottendorfers Eingreifen gewählt wurde und der in seiner Dankrede nach der Wahl Ottendorfer als den vornehmsten Repräsentanten des Deutschtums in Amerika feierte. Nichts ist geeigneter, die hervorragende Stellung Ottendorfers im öffentlichen leben Amerikas besser zu beleuchten, wie die Stimme eines Engländers. Am Sarge Ottendorfers sprach nach dem mehrerwähnten Präsidenten des deutschen Pressklubs auch das frühere Kongreßmitglied John de Witt-Warner, der in englischer Sprache folgendes ausführte:

„Herr Ottendorfer war nicht so sehr als ein Deutsch-Amerikaner, sondern als ein amerikanischer Führer deutscher Abstammung bekannt und wird als solcher bei uns, deren Erinnerung über die letzten fünfundzwanzig Jahre zurückreicht, im Gedächtnis bleiben. Jeder der Anwesenden weiß besser als ich, daß er das deutsche Wesen, mit welchem er stets in Fühlung blieb, liebte, aber seine Pläne, seine Hoffnungen, seine Wohltätigkeiten waren unbeschränkt. Selbst seitdem er von dem Leiden befallen war, welches, wenn es auch den Körper lähmte, doch seinen Geist frische erhielt, behielt er stets einen klaren Blick für die Zustände der Stadt New York, um diese größer und bedeutender zu machen. Er, dessen Blick von Ozean zu Ozean reichte, sah ein Land im Geiste vor sich, dessen würdige Metropole unsere Stadt sein sollte, ein Land, das in Gerechtigkeit und Freiheit, in Frieden und Gedeihen ein Segen für seine Bevölkerung sein und an der Spitze der Nationen der Welt stehen sollte.“

So sprach wohlgemerkt, ein englischer Politiker über den deutschen Politiker Oswald Ottendorfer und seine weitausgreifenden Plänen.

Wenn die Menschen zu Ansehen und Reichtum gelangen, dann verhärtet sich nur zu leicht ihr Herz. Sie werden zu Egoisten, die für die Not des Mitmenschen kein Verständnis haben. Anders Ottendorfer, der in dem Maße als sein Wohlstand wuchs, einen Wohltätigkeitssinn entwickelte, der ihn – und das will in einem so reichen Land wie Amerika viel sagen – unter den großen öffentlichen Wohltätern in erster Reihe erscheinen lässt. Wieder muß ich den Präsidenten des deutschen Pressklubs anführen, der am Sarge Ottendorfers auch die folgenden Worte sprach.

„Sein Herz öffnet sich jedem, der wahr und aufrichtig zu ihm sprach. Keiner, der Anspruch auf die Hilfe seiner Mitmenschen hatte, hat je vergeblich an seiner Tür gepocht. Er hat geholfen und gegeben, über alles Maß hinaus. Ueberall sehen wir die Monumente seiner Wohltätigkeit, seines Edelsinns und seiner Menschenliebe. Und was wir sehen, daß ist ja nur der kleinste Teil dessen, was er getan. Nur er allein wusste, wie reichlich und unablässig er überall ausstreute, wo er helfen konnte und wo Hilfe verdient und notwendig war undwenn an dieser Bahre alle diejenigen ständen, welche ihm Dank schulden, so würde die Welt staunen ob ihrer Menge und manch einer würde sein Haupt verhüllen, weil er nicht Gleiches getan.“

Aber sein weiches Herz verführte ihn nicht blind zu geben. Ein Grundzug seines Charakters war auch die Gründlichkeit, ein Ergebnis seiner reichen Lebenserfahrung. Wir haben ja gehört, daß Ottendorfer die Arbeit über alles schätzte. Die Arbeit war für ihn die unerlässliche Voraussetzung für den Anspruch auf ein zufriedenes und glückliches Erdendasein. Demgemäß erschienen ihm unterstützungsbedürftig jene, die, wie heranwachsende, ihrer natürlichen Ernährer beraubte Kinder, noch nicht, oder jene, die infolge Krankheit oder Alter nicht mehr arbeiten können. Für Arbeitsscheue blieb seine Tür verschlossen und er versäumte keine Gelegenheit, auf die Gefahren hinzuweisen, die durch die Unterstützung Arbeitsscheuer der Allgemeinheit erwachsen können. „Wohltun mag eine schöne Sache sein. Wenn aber dadurch eine größere oder kleinere Zahl von Menschen verleitet wird, sich auf fremde Hilfe zu verlassen, anstatt der eigenen Kraft zu vertrauen, so kann damit mehr Uebles als Gutes gestiftet werden.“ Das sind seine eigenen Worte. Aus dieser Erwägung heraus errichtete er das Armen- und Waisenhaus in Zwittau und förderte in ausgiebiger Weise den Bau des Krankenhauses. Als unerlässliche Voraussetzung für eine tüchtige Arbeitsleistung und als beste Waffe im Kampfe mit dem Leben galt Ottendorfer die Verbreitung von Bildung und Aufklärung. Einer seiner schönsten Aussprüche lautet: „Ich glaube weder an eine Aristokratie der Geburt noch an eine solche der Intelligenz. Es sollte unser Streben sein, Bildung und Aufklärung möglichst weit zu verbreiten. Die Segnung eines Institutes, welches die Kultur des Geistes und des Herzens zu pflegen bestimmt ist, sollen soweit als möglich allen jenen zugänglich gemacht werden, denen durch ihre Verhältnisse in der Jugend dieser Vorteil erschwert und denen im späteren Alter die Weiterentwicklung der Bildungskeime, die sie in ihrer Jugend empfangen, unmöglich gemacht wurde.“

Aus dieser Erwägung heraus errichtete er in seiner Vaterstadt die nach ihm benannte Volksbibliothek und Lesehalle und diese Idee, die Ottendorfer schon vor mehr als einem Menschenalter sich zu eigen gemacht und in die Tat umgesetzt hatte, hat in unserer Zeit durch das Büchereigesetz, daß jeder Gemeinde die Errichtung einer Bücherei zur Pflicht macht, eine glänzende Bestätigung gefunden.

Ein weiterer Charakterzug Ottendorfers war die Einfachheit. „Wenn es irgend eine Eigenschaft gibt, in welcher ich Herrn Ottendorfers Charakter als besonders eigentümlich bezeichnen muß, so ist es die Einfachheit seines Charakters. Nicht etwa, daß es ihm an starken, individuellen Zügen fehlte, aber er rief den Eindruck einer großen, klarstehenden Macht für das Gute ohne alle Kleinlichkeiten des Charakters hervor.“ So lautet eine Stelle aus der Rede des Engländers Warner am Sarge Ottendorfers.

Ottendorfer wollte mit seinen Wohltaten nicht prunken, sondern nur Gutes stuften und beispielgebend wirken. Einen ihm von der österreichischen Regierung zugedachten Orden lehnte er ab und in einem seiner Briefe schrieb er: „Ich habe zweifellos wie jeder andere Mensch meine Schwächen und Fehler, aber Eitelkeit gehört, soviel ich mich kenne, nicht dazu.“ Ebenso lehnte er die Annahme öffentlicher Ehrenstellen, besonders solcher mit Bezahlung ab. So wurde ihm in den 70ger Jahren die Kandidatur für den Lord Mayor (Bürgermeister von New York) angeboten. Obwohl seine Wahl sicher gewesen wäre, lehnte er die Kandidatur ab.

Menschen, die in der Ferne eine neue Heimat gefunden haben und wenn sie daselbst gar zu Reichtum und hohen Absehen gelangen, vergessen nur zu leicht der alten bescheidenen Heimat. Auch hier bietet uns Ottendorfer ein leuchtendes Beispiel. Im Mittelpunkte des Begriffes Heimat steht die Mutter. Sind auch die Stiftungen, mit denen Ottendorfer seine Vaterstadt bedachte, glänzende Denkmäler seine Liebe zur alten, angestammten Heimat, das schönste und sinnigste Denkmal, das er sich in Zwittau gesetzt hat, ist doch jenes, das sich auf dem Platze vor der Lesehalle erhebt, das Denkmal der „Mutterliebe“, das auf seiner Stirnseite die schlichte Aufschrift trägt: „Dem Andenken an meine gute Mutter“. Das Denkmal, hervorgegangen aus der Meisterhand des Prof. Donndorf, des Schülers Rietschels, Schöpfer des Bachdenkmals in Eisenach und Vollender des Lutherdenkmals in Worms, ist ein Kunstwerk ersten Ranges und wurde am 21. August 1892 in Anwesenheit des Stifters feierlich enthüllt. Unvergesslich sind die Worte, die hiebei Ottendorfer sprach: „Mich leitete“ so sagte er „der Gedanke, das Andenken an meine gute Mutter zu ehren. Sie war eine einfache, rechtliche Frau, die mit Sorgfalt ihre Kinder bewachte und denselben, soweit ihre Kraft reichte, Sinn für Gutes und Schönes beibrachte. Die lichten Seiten meines Charakters sind wesentlich Samensprossen, die meine Mutter gelegt hat. Wenn ich am Kreuzweg des Lebens stand, folgte ich jener Stimme, die aus dem Grunde meines Herzens zu hören war. Diese Stimme war die Erinnerung an die Lehren, die mir meine gute Mutter erteilt hat. Diesen Lehren folgte ich und sie haben mich stets auf den rechten Weg geführt.“ So ehrt Ottendorfer seine Mutter. Aber nicht genug daran führte er noch folgendes aus: „Es war nicht das gefühl der Dankbarkeit allein, dass mich dazu führte meiner guten Mutter ein Denkmal zu setzen. Es war der weitere Gedanke, der Mutterliebe überhaupt ein Denkmal zu errichten. Es gibt wenige Tugenden, die so hoch zu verehren sind, wie die Mutterliebe. Die Mutter ist es, die dem Kinde die ersten Keime der Bildung beibringt und die Mutterliebe hat mehr mit der künftigen Gestaltung aller Volksklassen zu tun, als alle Gesetze zusammengenommen. Die arme Mutter, die mit dem Säugling lebt, ist entschlossen, alles für ihn zu tun, sich für ihn zu opfern. Wer sollte da verkennen, daß die Tugend, die sie übt, eine reine ist. Möge daher dieses Monument aufmunternd für alle Mütter sein, möge es segensreich für alle Bewohner von Zwittau und Umgebung wirken und sie stets erinnern, den Gedanken der Mutterliebe zu pflegen, zu festigen und zu erhalten.“ So ehrt Ottendorfer, das Evangelium der Mutterliebe verkündend, wie es schöner und reiner nicht geschehen kann, in seiner Mutter alle Mütter, den Muttergedanken überhaupt. Erst unseren Tagen blieb es vorbehalten, die Bedeutung des Muttergedankens für Volk und Staat voll zu erfassen und durch die Veranstaltung von Muttertagen zu vertiefen und lebendig zu erhalten. So sehen wir auch hier, wie Ottendorfer, seiner Zeit vorauseilend, schon vor Jahrzehnten die hohe Bedeutung des Muttergedankens für Volk und Staat nicht nur erkannt, sondern ihm auch in idealer weise ein Denkmal gesetzt hat.

Verehrte Anwesende! Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen erwähnt, daß wir über Ottendorfer eigentlich recht wenig wissen. Das ist ja nicht zu verwundern, denn 50 Jahre seines Lebens verbrachte Ottendorfer in Amerika und erst anläßlich seines Todes im Dezember 1900 brachte die amerikanische Presse, in erster Reihe die Newyorker-Staatszeitung“, eine Fülle von Nachrichten über Ottendorfer, die uns erst so recht in die Lage versetzten, die große Bedeutung dieses Mannes voll zu erfassen. Aus dem reichen Materiale habe ich dasjenige herausgegriffen, was mir geeignet erschien, Ihnen, wenn auch nur in einigen Zügen ein Charakterbild Ottendorfers zu entwerfen. Und was sehen wir? Wir sehen das Bild eines Mannes, das gerade in der heutigen Zeit wie kein zweites geeignet ist, vorbildlich zu wirken. Denn es zeigt und, wie ein Mann durch Arbeit und zielbewußtes Streben aus den bescheidenen Anfängen, sich zu einer führenden Stellung in einer der mächtigsten Städte der Welt emporarbeitet, wir sehen einen Mann, dem der Weg zu den höchsten Ehrenstellen, die das Volk zu vergeben hat, offen steht, die er aber ausschlägt um unbeeinflußt seine großen Ideen im Interesse der Allgemeinheit zu vertreten, einen Mann, dem weder Reichtum noch Ansehen das Verständnis für das Bedürfnis des Nächsten zu benehmen vermochte und der in seinem groß angelegten angelegten Wohltätigkeitssinn ein leuchtendes Beispiel echten und wahren Bürgersinnes gibt, einen Mann, an dem auch ein zweites Dichterwort Schillers in herrlicher Weise sich erfüllt:

Nur zwei Tugenden gibt es, o wären sie immer vereint Immer die Güte auch groß, immer die Größe auch gut!

Mit Fug und Recht preisen wir daher Ottendorfer nicht nur als den größten Wohltäter, sondern auch als den größten Sohn unserer Stadt, auf den stolz zu sein nicht nur wir sondern der Schönhengstgau, das Sudetendeutschtum, ja das gesamte Deutschtum überhaupt, alle Ursache hat. In Verehrung und Dankbarkeit wollen wir daher seiner heute und immer gedenken; dabei uns aber auch das Beispiel Ottendorfers in der Richtung vor Augen halten, daß auch wir uns bemühen, den Worten die Tat folgen zu lassen, daß auch wir uns bemühen, den Dank an Ottendorfer nicht in Worten allein, sonder, wo immer es angeht, auch durch die Tat abzustatten. Wie wir dies tun können das hat ja Ottendorfer und selbst gesagt. In einem seiner Briefe schrieb er: „Wenn die Bürger Zwittaus mir eine Anerkennung schuldig zu sein glauben, so werden sie ihren Dank am besten betätigen, wenn sie sich bemühen, in der Errichtung und Führung der von mir projektierten Anstalten meinen Absichten möglichst gerecht zu werden. In einem segensreichen Wirken dieser Anstalten werde ich mich belohnt finden.“

Immer und Immer betonte Ottendorfer allen Dankeskundgebungen gegenüber, daß die Errichtung der Anstalten nicht die Hauptsache sei, daß diese vielmehr vielmehr in der richtigen Führung und leitung liege. Er verwies auf die Schwierigkeiten, die hier nicht ausbleiben werden und zu deren Bewältigung die Mitwirkung aller notwendig sei.n Und wenn es gelänge, Alle Schwierigkeiten zu überwinden und die Anstalten ihrer Bestimmung gemäß zu führen, dann werde er es sein, der der Stadt zu Dank verpflichtet sei. Die Schwierigkeiten sind nicht ausgeblieben, sie haben sich infolge des Krieges in einem Maße eingestellt, wie dies nicht vorausgesehen werden konnte. Nun ist es an uns, zu zeigen, daß der Geist Ottendorfers in und lebt. Die Anstalten zu erhalten und im Sinne ihres Stifters zu führen, das ist für uns das Vermächtnis Ottendorfers und dieses Vermächtnis zu erfüllen, das wollen wir in dieser feierlichen Stunde vor dem Bilde Ottendorfers, dessen mildes Antlitz freundlich auf uns herniederschaut, geloben und zum Zeichen Ihres Einverständnisses mit diesem Gelöbnisse bitte ich Sie, einzustimmen in den Ruf mit dem ich hiermit schließe:

Heil Ottendorfer, Heil seinem Andenken!

Anna Ottendorfer.

Vergeblich sucht ihr ihresgleichen;

Wer wußt’ im Kranze edler Frau’n

Wie sie die milde Hand zu reichen

Und fremden Weh ins Aug’ zu schau’n?

Welch weibliches Gemüt erlauchte

So sinnig und so tief bewegt,

Was durch des Volkes Adern rauschte, Als Pulsschlag sich in ihm geregt?

Sie streute Hilfe, Trost und Frieden, Wie Blumen ringsum reichlich aus, Und selber hat sie sich beschieden, Mit stillem Glück im trauten Haus.

Kein Glanz der Welt, kein bunt Geflimmer, Kein Prunk, der Tausende entzückt,

hat je mit seinem eitlen Schimmer,

Dies schlichte Frauenherz berückt.

Verlaß’ner bitteres Entbehren,

Ward ihr zum eig’nen herben Leid, Die Perlenschnur der Dankeszähren, zum liebsten, köstlichsten Geschmeid.

Und wenn in der Parteiung Toben, Der Haß dem Hader Worte lieh, Hat dieses Herz sich nur gehoben: Gericht zu sein – und wanke nie!

„Vergeblich sucht man Deinesgleichen; Und nie soll die lebendige

Erinnerung an Dich entweichen,

Du Gute, Du verständige!“

(N. St.)

Anna Ottendorfer. *)

Deutsch-amerikanisches Frauenbild von Th. Herm. Lange.

Am Nachmittage des 4. April bewegte sich ein Trauerzug in New-York von Nr. 7 Ost 17. Straße zunächst nach Union Square, dann die vierte Avenue hinab bis zur Bowery und durch die Centrestreet und über die Hängebrücke hinüber nach Brooklyn dem Greenwood-Friedhofe zu. Es war die Leiche einer Frau, welche als arme und völlig mittellose deutsche Einwanderin im Jahre 1839 hier landete und an deren Sarge nunmehr Exminister Schurz, Oberst Richard W. Hoe, Supremecourt-Richter Charles P. Daly und andere hervorragende Bürger als Bartuchträger fungierten. Ein echter Frühlingstag war hereingebrochen, den man um so freudiger begrüßte, als Orkane, Schneestürme und Regengüsse seit Ende März abwechselnd gewütet hatten. Tausende gaben der Verblichenen das letzte Geleit, hunderttausende standen auf den Plätzen und an den Straßenecken, welche der imposante Condukt passierte.

Schon seit zwei Tagen wußte es jeder Deutsch-Amerikaner von der Küste des Atlantischen Meeres bis hinüber zu den Gestaden des stillen Ozeans, daß seine größte Landsmännin, daß die beliebteste Frau der Vereinigten Staaten gestorben war. Als ich am Morgen des 2. April wie gewöhnlich von Gree-Point mit dem „Ferry- Boote“ nach New-York hinüberfuhr, standen neben mir zwei einfach, aber sauber gekleidete ältliche Arbeiterinnen. „Ich kannte sie schon vor mehr als 40 Jahren, als sie unten kaum ausgeschifft war und noch nicht einmal zwanzig Thaler ihr Eigen nennen konnte“, sagte die eine derselben, indem sie mit der Hand nach Castle Garden zeigte. „Ja“, erwiderte die andere, „damals mag es ihr oft recht trüb gegangen sein, selbst für fremde Familien musste sie bisweilen waschen und nähen...“ Eine halbe Stunde später befand ich mich am City-Hall in New York. Von einem der stolzesten Paläste, die diesen Platz, den kommerziellen Brennpunkt der Millionenstadt, krönen – von dem Turme des Staatszeitungs-Gebäudes herab wehte das sternenbanner halbmast als Trauerflagge; denn die Eigentümerin der genannten Zeitung, Frau Anna Ottendorfer, war den Abend zuvor in einem Alter von 69 Jahren verschieden. Vor wenig mehr denn drei Decennien kämpfte Anna Ottendorfer noch den schweren Kampf um’s Dasein. Mit Sorgen stand sie am frühen Morgen auf, mit Sorgen ging sie abends zur Ruhe. Aber als sie starb, da weinten Tausende und Abertausende, denn die Helferin der Bedrängten war nicht mehr, die Frau hatte ihre iridsche Laufbahn beendet, welche allein im Jahre 1882 außer zahlreichen anderen Spenden 350.000 Mark für das deutsche Hospital gab, um eine eigene Abteilung zur ausschließlichen Aufnahme von weiblichen Kranken errichten zu lassen. Und doch hatte Anna Ottendorfer, die begeisterte Vorkämpferin des Deutschtums in der Union, erst das Jahr zuvor, in dem ihr Lieblingssohn Hermann in blühendster Jugendkraft vom Tode dehingerafft worden war, nicht weniger als 220.000 Mark als Fonds für deutsche Schulen und das deutsche Lehrerseminar in Milwaukee gestiftet. Und vor acht Jahren (1873), als sie ihre erstgeborene Tochter Isabella verlor, schuf sie mit einem Kostenaufwande von zunächst 130.000 Mark die „Isabella-Heimat“ in Astoria, zur Unterkunft betagter Frauen bestimmt, die ohne Familie und Freunde in der Welt hilflos dastehen.

Trotz alledem waren diese hochherzigen Taten nur die letzten Glieder einer Kette des Wohltuns und der aufopfernden Mildtätigkwit, die bis etwa 1859 zurückreicht. Denn erst vor fünfundzwanzig Jahren war aus der armen Schriftsetzersfrau eine mehrfache Millionärin geworden, die Besitzerin einer der größten täglichen deutschen Zeitungen nicht nur Amerikas, sondern überhaupt auf beiden Kontinenten.

Anna Ottendorfer war von armer Familie zu Würzburg in Bayern geboren. Noch vor ihrer Uebersiedlung nach Amerika heiratete sie einen Buchdrucker namens Uhl, mit dem sie sich 1839 in New York niederließ. Drüben in Deutschland war es dem jungen Ehepaar recht schwer geworden, sich das Nötige zum Lebensunterhalte zu erwerben und die ersten Jahre wollte es in dem gepriesenen Amerika auch nicht besser gehen. Doch wenn der Gatte Uhl bisweilen den Mut verlor, die Frau Uhl ließ ihn nicht sinken. Sie führte den Haushalt so sparsam wie möglich, sie las Korrekturen, sie arbeitete abwechselnd in fremden Häusern und 1844 konnten die jungen Leute eine kleine Buchdruckerei in Nr. 11 Frankfort-Street kaufen. Das Geschäft hob sich rasch, die junge neunundzwanzigjährige Frau war unermüdlich in demselben tätig, und wieder ein Jahr später erstand das strebsame Ehepaar die „New Yorker Staatszeitung“. Damals war dieses Pressorgan nur ein Wochenblättchen von sehr geringer Bedeutung, in Format und Ausstattung den kleinen preußischen „Kreisblättern“ sehr ähnlich, wie sie noch heutzutage an der deutsch-russischen Grenze in den Provinzen Possen, Schlesien u.a. angetroffen werden. „Die Staatszeitung“, so sagte mir einmal Frau Ottendorfer lächelnd, „hatte auch damals schon Abonennten, aber die „geehrter Leser“ zahlten schlecht oder gar nicht. Wir hatten auch Annoncen“, fuhr die edle Verblichene fort, „aber wir nahmen sie meist unentgeltlich von unseren Freunden auf. Unser Schuhmacher lieferte meinem Manne ein Paar Stiefel, die dieser nicht zu bezahlen brauchte, wogegen er gezwungen war, dem Handwerker ein Vierteljahr lang ein Gratis-Inserat in unserer zeitung zu gestatten. In ähnlicher Weise bezogen wir unsere Waren vom Grocer (Spezereienhändler), vom Schneider etc. Das waren ganz dieselben Zustände, wie man sie noch heute in kleinen westlichen, soeben erst gegründeten Städten bei neuen Zeitungen vorfinden kann.“

Aber bereits 1846 gestalteten Herr und Frau Uhl ihr Wochenblättchen zu einer täglichen Zeitung und führten dasselbe bei stets wachsendem Erfolge gemeinschaftlich bis zum Jahre 1852 fort. Da starb Jakob Uhl und hinterließ seine Frau als Witwe mit sechs Kindern. Der plötzlich Alleinstehenden wurden höchst vorteilhafte Anerbietungen im Falle des Verkaufes ihrer Zeitung gemacht, welche die meisten Frauen unbedingt angenommen hätten. Nicht so die Witwe Jakob Uhl’s. Ihrem Scharfblick entzog sich die große Zukunft des deutschen Elementes in den Vereinigten Staaten nicht und sie fühlte die Fähigkeit in sich, das Ihrige zur Erhaltung und zum Wachstum des Blattes beizutragen, das sich als Organ jenes Elementes erst zu entfalten begonnen hatte. Um diese Zeit entwickelte Frau Ottendorfer (damals eigentlich immer noch Frau Uhl) eine Tätigkeit, die ihre Umgebung ins höchste Erstaunen versetzte. Von früh bis in die Nacht hinein war sie auf dem Platze und überwachte alle Zweige des sich ständig vergrößernden Geschäftes. Die Einnahmen desselben verwandte sie auf Verbesserungen aller Art und hierbei bewährte sich vornehmlich ihre Einsicht und ihr Unternehmungsgeist. Zwei wichtige Schritte, die von großem Einfluß auf das Emporkommen der „Staatszeitung“ waren, erfolgten in der Zeit als Anna Ottendorfer als Herausgeberin waltete: der Beitritt zur „associierten Presse“ (1854) und die Errichtung eines eigenen Zeitungspalastes (1858). Die Einweihung dieses Gebäudes ist bis zu ihrem Tode eine ihrer Lieblingserinnerungen geblieben. Es gipfelte darin der Erfolg ihrer persönlichen Bemühungen um den Aufschwung der „Staatszeitung“.

Ein Jahr später tret sie die Leitung an Oswald Ottendorfer ab, den sie im Januar 1859 geheiratet hatte und der seit einer Reihe von Jahren schon als Redakteur bei ihr beschäftigt gewesen war. Ottendorfer, ein ehemaliger österreichischer Offizier und späterer Journalist, war 1848 nach Amerika gekommen. Dennoch nahm sie bis zum Oktober 1881 den regsten Anteil an der geschäftlichen Leitung der „Staatszeitung“ und erst als ihre Leiden ihr eine solche Wirksamkeit nicht mehr gestatteten, gab sie den Platz an dem Pulte auf, den sie über dreißig Jahre lang eingenommen.

Wahr und ergreifend sagte an ihrem Sarge Chefredakteur Dr. Paul Loeser:

„...Sie besaß vor allem jenes tiefsinnige Gemüt, das wir für unsere deutschen Frauen, gewiß nicht mit Unrecht, vorzugsweise beanspruchen; dann den ernsten Trieb, mitzuschaffen an der menschlichen Gesellschaft. In dieser Beziehung gehörte sie entschieden zu den Vorkämpferinnen der Frauenrechte, so widerlich ihr die Ausdehnung der Ansprüche von Frauen auf Rechte und Pflichten war, deren Erfüllung sie physisch nicht gewachsen sein können. Sie ist trotz ihrer exceptionellen Stellung niemals aus der Sphäre der edelsten Weiblichkeit herausgetreten und wußte den Mut, mit dem sie die Stelle des ihr durch den Tod entrissenen ersten Gatten einnahm und dessen eben erst begonnenes Werk fortsetzte, mit der zärtlichsten Mutterliebe und den wärmsten Empfindungen, mit denen ein liebevolles Frauenherz in die Sorgen und Freuden des Familienlebens eingreift, wohl zu vereinigen. Sie hatte ihren reichen Teil an diesen sorgen und Freuden erlebt. Von den sechs Kindern, die sie ihrem ersten Gatten geboren, überleben sie vier in den glücklichsten Verhältnissen: ein Sohn und drei Töchter, welche letzteren ihr eine muntere Enkelschar zubrachten, die, nebst den Kindern des ihr im Tode vorausgangenen ältesten Sohnes, zur Erheiterung ihres Lebensabendes beitrug. So ist denn die in Hinsicht auf ihre Schicksale, Ihr Wirken und Walten bedeutendste deutsche Frau in den Vereinigten Staaten uns für immer entrissen worden. Sie ist in dem Lande, das ihr eine so große Lebensstellung bot, stets eine deutsche Frau geblieben, wenn sie auch eine warme amerikanische Patriotin war. Sie war durchdrungen von der Zukunft des deutschen Elementes in unserem Lande und in manchen Punkten, z.B. hinsichtlich der Erhaltung der deutschen Sprache, geradezu eine Enthusiastin...“

Jetzt hat sich die Erde über dem geschlossen, was sterblich war an Anna Ottendorfer. Ihr Leben aber möge den Hundertausenden, welche alljährlich europamüde die neue Welt betreten, gewöhnlich mit einem Herzen voll von Hoffnungen und einem Beutel leer an Geld – ein Evangelium und eine Gewissheit sein, daß nur ernste Arbeit, gepaart mit klugem Sinn, Rechtschaffenheit und Sparsamkeit, in dieser Republik zu Wohlstand und Reichtum führen können.

*“Gartenlaube“ 1884 S. 302

 

Zwittauer Chronik.
Ottendorfer-Gedenkfeier.

Der Zwittauer Stadtrat veranstaltete Donnerstag, den 11. Feber 1929 um 7 Uhr abends, also am Vorabend von Oswald Ottendorfers hundertstem Geburtstag, im Festsaal der Ottendorfer’schen Volksbibliothek eine Gedenkfeier, an der die gesamte Stadtvertretung sowie Vertreter der Körperschaften und Vereine teilnahmen. Der schöne Saal war bis aufs letzte Plätzchen besetzt. Das prachtvolle Wandgemälde, das Ottendorfer in Lebensgröße darstellt, war mit einem prächtigen Lorbeerkranz geschmückt. Ein Musikvortrag des deutschen Musikvereines: Hochzeitsmarsch aus „Sommernachtstraum“ von Mendelsohn leitete die Feier ein, worauf Direktor Josef Hawlik als Obmann des deutschen Büchereirates die Versammlung mit folgenden Worten begrüßte:

Hochverehrte Anwesende!

Namens des Büchereirates erlaube ich mir, Sie aufs herzlichste zu begrüßen und Sie willkommen zu heißen in diesen Räumen, die Oswald Ottendorfer an der Stätte seines Geburtshauses so prachtvoll errichten ließ.

Damals, als er sich der Waisen, der Armen, der Kranken annahm, gedachte er auch aller jener, die da geistigen Hunger litten, die sich sehnten nach Belehrung und Wissen und schenkte uns das Buch.

Das gute Buch, das ist unser verläßlicher, stets unbestechlicher Ratgeber, unser bester Freund, der uns unterhält, aufheitert und belehrt, uns in kranken Tagen tröstet, der uns als wahrer Sorgenbrecher über die Mühsal und Plage des Alltags hinweghilft und uns neue Kraft und frischen Mut im Kampfe um das tägliche Brot verleiht.

Unsere Bücherei, dieses kostbare Geschenk Ottendorfers, nimmt unter allen Gemeindebüchereien der Tschechoslowakei in jedem Belange die erste Stelle ein. Als Kulturfaktor von höchster Bedeutung steht sie im Dienste der allgemeinen Volkserziehung und Bildung; denn jedes Buch, auch ein solches, das der Unterhaltung dient, wirkt mittelbar auch belehrend, ebenso wie nach der Meinung eines Berufenen ein wissenschaftliches Werk auch unterhalten muß, wenn es seinen Zweck erreichen will. Seit mehr als drei Jahrzehnten waren alle Kuratorien und Büchereiräte dieser Bibliothek bestrebt, in diesem Geiste den Bücherschatz zu mehren und für das Bildungsbedürfnis – nicht bloß für das Unterhaltungsbedürfnis – aller Alterstufen und Volksschichten zu sorgen.

Mit Erfolg! Um nur eines hervorzuheben – es sind im letzten Jahre mehr als 70.000 Bände entlehnt worden, jedes einzelne Buch war ein Bote, der die Hochherzigkeit des Stifters und seine Bedeutung als Volkserzieher verkündete.

An dieser Stelle entwickelte vor mehr als 33 Jahren Ottendorfer Ziel und Zweck seiner Gründung. Wenn wir heute sein Andenken feiern, tun wir es in freudigem Bewußtsein, daß sein Wille, den er damals ausgesprochen, zur Tat geworden ist und wir dürfen die begründete Hoffnung hegen, daß sein Werk noch in den fernsten Tagen fortleben wird.

Wir danken dem edlen Stifter heute nicht mit leeren Worten, sondern mit der Tat, indem wir seinen Absichten nachstreben, den Bücherschatz benützen und ausnützen und ihn unter dem fürsorglichen Schutze der der Gemeindevertretung als kostbares Erbe bewahren.

In diesem Geiste, mit diesem Gelöbnis entrichten wir an Ottendorfers Namen unsere große Dankesschuld.

Möge die Lesehalle allzeit blühen und gedeihen und ebenso wie alle seine Schöpfungen Glück und Segen verbreiten!

In machtvollen Tönen brachten sodann die beiden Gesangvereine (Männergesangverein und Frohsinn) den herrlichen Chor „Des Schäfers Sonntagslied“ von Conrad Kreuzer zum Vortrage.

Hierauf ergriff Bürgermeister Carl Lick das Wort zu der an anderer Stelle veröffentlichten Gedenkrede. Der Redner gedachte auch der hochsinnigen Gattin Ottendorfers, Anna Ottendorfer. Ihr zu Ehren ließ er in seine Rede eine Unterbrechung eintreten, während der die Bürgerschülerin Irma Hauschild das bei Frau Ottendorfers Tod in der New Yorker Staatszeitung erschienene sinnige Gedicht „Anna Ottendorfer“ vortrug. Ein Musikvortrag „Eriksgang“ und „Krönungsmarsch“ aus der Oper „Die Folkunger“ von Kretschmer, vom Musikverein in vorbildlicher Weise gespielt, beschloß die Feier, die – so schlicht und einfach sie war – einen überaus würdigen Verlauf nahm und allen Teilnehmern in steter Erinnerung bleiben wird. Nach der Feier trugen die Teilnehmer zu dauerndem Andenken ihre Namen in das Gedenkbuch der Ottendorfer’schen Volksbücherei ein. 

 


 

 

 Zwittauer Nachrichten. 27. Feb. 1926

OTTENDORFER-ERINNERUNGEN.

Ottendorfers Flucht und Ankunft in Amerika

Der bekannte russische Revolutionär Bakunin spielte auch im Leben Ottendorfers eine gewisse Rolle. Auf der Heimreise von Schleswig-Holstein, an dessen Befreiungskämpfen gegen die Dänen er teilgenommen hatte, machte Ottendorfer in Breslau im Spätsommer 1848 die Bekanntschaft Bakunins. Nach der Niederschlagung des Wiener Aufstandes durch die Kroaten am 28. Oktober 1848 floh Ottendorfer, nachdem er sich einige Tage in Wien verborgen gehalten hatte, über die sächsische Grenze in der Absicht, in Leipzig an der Universität seine Studien wieder aufzunehmen. Aber auch in Sachsen loderten die Flammen des Aufruhrs. Auf seinen Kreuz- und Querfahrten durch Europa war Bakunin aus Frankreich über Prag, wo er an dem Slawenkongresse teilgenommen hatte, nach Dresden gekommen, wo es im Mai 1849 zum Aufstande kam, der die Flucht des Königs aus Dresden zur Folge hatte. Von Bakunin, der Mitglied der revolutionären Regierung in Dresden war, in die revolutionäre Bewegung hineingezogen, nahm Ottendorfer an den heftigen Kämpfen teil, die am 9. Mai 1849 den einrückenden Preußen geliefert wurden und die mit der vollständigen Niederlage der Revolutionäre endeten. Ottendorfer entging wieder nur durch einen glücklichen Zufall der Gefangennahme und floh nach Jena, wo er bei einem Wiener Freunde, dem Hörer der Medizin und nachmaligem Arzte Dr. Julius von Hausen, der später gleichfalls nach Amerika ging und in New York sich ansässig machte, Aufnahme fand. Hier wurde er von einer schweren Krankheit ergriffen und als er das Krankenlager verließ, war auch der „Völkerfrühling“ vorüber. Denn auch in Baden, wohin er sich zunächst wandte, wurde die Revolution blutig unterdrückt und Ottendorfer stand vor der eisernen Notwendigkeit, die nutzlos gewordene politische Tätigkeit aufzugeben und der Frage der künftigen Gestaltung seines Lebensschicksals ernstlich näher zutreten.

Er ging nach Heidelberg, wo er 1849 und 1850 eifrig seinen Studien oblag.

September 1850 kehrte er unvermutet in die Heimat zurück. Seine Stimmung war eine verzweifelte, denn er äußerste den Entschluß, sich den Behörden zu stellen und sein Schicksal über sich ergehen zu lassen , was ihm jedoch seine Angehörigen ausredeten. Da die Gefahr einer Entdeckung ja in Zwittau am nächsten lag, hatte Ottendorfer sich nicht nach seiner Vaterstadt, sondern nach Brünn gewendet, wo er bei Verwandten und zwar der Familie Friedrich Aufnahme fand. Die Lage war für ihn umso gefährlicher geworde, da dem Erz-Revolutionäre Bakunin, der in Deutschland zu Tode verurteilt, dann begnadigt und an Österreich ausgeliefert worden war, hier der Prozeß gemacht wurde, wobei die Beziehungen Ottendorfers zu Bakunin zur Sprache kamen. Die Lage wurde daher für ihn unhaltbar. Schon hatte man bei Friedrich Hausdurchsuchungen vorgenommen, ein weiteres Zögern konnte verhängnisvoll werden und so kam es unter werktätigster Mitwirkung Friedrichs zur Flucht. Daß diese gelang ist wohl nur den umsichtigen Vorkehrungen Friedrichs zu danken. Dieser löste, nachdem alle sonstigen Vorbereitungen getroffen worden waren, auf dem Bahnhofe die Fahrkarte, stieg um die aufpassende Polizei zu täuschen, selbst in den Wagon, öffnete die entgegengesetzte Tür und ließ den auf der anderen Seite des Zuges wartenden Ottendorfer herein. Er gab ihm die Fahrkarte, drückte ihm die Hand und verließ wieder den mit Spähern besetzten Bahnhof, was nur möglich war weil der Bahnhof damals eine andere Gestalt hatte, wie heute. Ottendorfer befand sich glücklich im Zuge, der ihn zunächst seiner Vaterstadt entgegenführte. Welches mögen seine Gefühle gewesen sein, als der Zug in Zwittau hielt. Obzwar er annehmen mußte, daß sein Vater, der von der Durchreise seines Sohnes Kenntnis hatte, sich auf dem Bahnhofe befand, durfte er es nicht wagen sich am Fenster zu zeigen, denn gerade hier war die Gefahr, daß er von Spähern erkannt und verhaftet werde, am größten. So fuhr er durch Zwittau ohne Scheidegruß von seinen Eltern, die er nicht mehr wiedersah, denn als er im Jahre 1869 zum erstenmal nach Zwittau kam, waren sie tot. Ottendorfer erreichte glücklich Bremen, wo er am 20. September 1850 das Segelschiff „Elisabeth“ bestieg, das ihn nach 36-tägiger stürmischer und gefahrvoller Überfahrt nach New-York brachte. Von der Bremer Rhede aus schrieb er an einen seiner Brüder einen Brief, in dem es heißt:

„In Österreich zu bleiben ist mir unmöglich, als politischer Flüchtling in der Schweiz oder England will ich nicht leben; so erübrigt mir nichts anderes als Amerika. Ich protestiere im letzten Anblick der europäischen Küste gegen die Meinung, daß ich in Folge einer Verzweiflung an Deutschlands Zukunft mein Vaterland verlassen. Ich gehe weil ich muß und kehre zurück, sobald es tunlich ist. Ich glaube meine Pflicht getan zu haben und nehme sie von Neuem auf, sobald ich kann.“

Wie sich seine Lage bei seiner Ankunft in Amerika gestaltete und wie er hierüber dachte, das schildert Ottendorfer in einem Aufsatze, den er in seinen späteren Jahren über die Einwanderung veröffentlichte und in dem es heißt:

„Ich erinnere mich sehr lebhaft der Eindrücke, welche ich bei meiner Ankunft in den Vereinigten Staaten, vor ungefähr 40 Jahren empfing. Ich war schon durch das, was ich von meinen Studien her über amerikanische Institutionen wußte, ein großer Bewunderer derselben geworden. Das Schiff, welches mich herüberbrachte, hatte kaum am Dock angelegt, als ich die nächste Straße hinaufrannte. Am Broadway, nahe dem Astor House stehend, beobachtete ich die Vorübergehenden. Ihrem Aussehen nachwaren es meist Männer, die für das tägliche Brot arbeiteten, aber fast jeder hatte die Haltung eines Souverains. Ihre Augen schienen zu sagen: „Ich stehe hinter keinem zurück; es gibt für mich nichts, was zu groß oder zu hoch wäre, als daß ich es nicht erreichen könnte und ich gedenke mir Bahn zu brechen“. Da ich nicht englisch sprechen konnte, sah ich, daß es für mich unmöglich sein werde, eine Stelle zu bekommen, in der ich meine Universitäts- Kenntnisse verwerten könnte, und da ich fast kein Geld hatte, so nahm ich nach Tagen eine Stelle als gewöhnlicher Arbeiter in einer Fabrik an, obwohl ich nie in meinem Leben die geringste Handarbeit verrichtet hatte. Nach wenigen Stunden waren meine Hände voll Blasen und noch ein paar Stunden später voll blutiger Schwielen; aber ich war angefeuert von der Energie, die ich in den Augen der Männer bei meiner Ankunft wahrgenommen hatte und fuhr in meiner Arbeit fort, ohne mich durch Schmerzen oder Schwierigkeiten entmutigen zu lassen. Ich hatte die Taufe des echten amerikanischen Geistes bekommen und war nie in meinem Leben so stolz auf Etwas, wie auf die Schwielen, die mir meine Arbeit verursachte.“

 


 

 

Tenement Museum

Oswald Ottendorfer for Mayor!

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